Der Niedersächsische Beamtenbund und Tarifunion (NBB) hat durch den 1. Landesvorsitzenden Alexander Zimbehl im Finanzausschuss des Niedersächsischen Landtages am 18.10.2023 zu dem Gesetzesentwurf der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur geplanten Einführung des Hamburger Modell in Niedersachsen Stellung genommen.
Dabei machte Alexander Zimbehl eingangs seiner Stellungnahme zunächst deutlich, dass aus Sicht des NBB eine voraussetzungslose Wahlfreiheit zwischen dem beamtenspezifischen Modell der Krankenversorgung (als Kombination zwischen Beihilfe und PKV) und der pauschalen Beihilfe hier zumindest in Teilen kritisch gesehen wird.
So sieht der NBB im Grundsatz die Verbindlichkeit des aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamtinnen und Beamten resultierenden Beihilfesystems als Attraktivitätsmerkmal des Berufsbeamtentums aufgegeben und sieht dies im Schwerpunkt als Anlass seiner Kritik.
Bislang unterliegen Beamtinnen und Beamte nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern sie haben die Möglichkeit, sich in der privaten Krankenversicherung abzusichern oder sich für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung ohne Zuschuss des Dienstherrn zu versichern.
Grundsätzlich hat sich nach Auffassung des NBB die individuelle Beihilfe in Niedersachsen in der Historie bewährt. Gleichzeitig machte Alexander Zimbehl jedoch deutlich, dass der NBB das System der bisherigen Beihilferegelung im Kern für alle Berechtigten als dringend reformbedürftig ansieht.
Erste begrüßenswerte Schritte sind beispielsweise durch die jüngst in Kraft getretenen Änderungsverordnungen zur Niedersächsischen Beihilfeverordnung (NBhVO) erfolgt und müssen aus Sicht des NBB entsprechend fortlaufend weiter vorangetrieben werden um Verbesserungen im Beihilfesystem für alle betroffenen Beamtinnen und Beamte, sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger zu erzielen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen in den Bundesländern, die bereits die pauschale Beihilfe eingeführt haben, prognostiziert der NBB vergleichbare negative Entwicklungen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die zu erwartenden finanziellen Belastungen für den Landeshaushalt, die insgesamt geringe Annahmequote und der in diesem Zusammenhang erhebliche bürokratische Belastungsfaktor bei Einführung des Systems.
Gleichzeitig wird nicht außer Acht gelassen, dass es durchaus Einzelfälle gibt, so beispielsweise bei Beamtinnen und Beamten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, in denen für diesen betroffenen Personenkreis keine adäquate Möglichkeit einer Absicherung über die Kombination Beihilfe und PKV vorhanden ist und die deshalb unter vollständiger Übernahme der Beiträge in der GKV versichert sind. Es ist ein besonderes Anliegen, für eben diese Personengruppe sinnvolle Lösungen zu erarbeiten. Explizit für diese betroffenen Personengruppe hätte es nach Auffassung des NBB auch einen deutlich einfacheren Weg gegeben, beziehungsweise nämlich die Risikozuschläge einer ergänzenden PKV zu berücksichtigen.
Bezogen auf den vorgelegten Gesetzesentwurf begrüßte Alexander Zimbehl grundsätzlich, dass die Gewährung der pauschalen Beihilfe nur auf Antrag erfolgt und somit den Beamtinnen und Beamten in Niedersachsen selbst die Entscheidung überlassen wird, ob sie sich für das System der pauschalen Beihilfe entscheiden. Gleichwohl befürchtet der NBB, dass mit dem Einstieg in die pauschale Beihilfe – selbst bei einer zunächst zugesicherten Wahlfreiheit – das bewährte System der Beihilfe zumindest perspektivisch im Ergebnis ausgehebelt werden soll. Derartigen Absichten erteilt Alexander Zimbehl für den NBB eine klare Absage.
So machte Alexander Zimbehl in der Anhörung des Ausschusses erhebliche Bedenken deutlich, ob junge Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger im Beamtenverhältnis bereits zu Beginn ihrer dienstlichen Laufbahn in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidung angemessen überblicken zu können. So verkennt der Gesetzentwurf aus seiner Sicht die grundsätzlich unterschiedlich verlaufenden Lebensentwicklungen und lässt im Ergebnis insbesondere Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger über die Tragweite ihrer hier zu treffenden Entscheidung im Unklaren. Diese Entscheidung ist, so die klare Auffassung des NBB, von vielerlei Faktoren abhängig, die zu Beginn einer beruflichen Laufbahn in den wenigsten Fällen planbar sein dürften. So sind positive und negative Leistungsaspekte einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zumeist erst dann absehbar, wenn die begründenden Lebenswege, beispielsweise Familiengründung, geschaffen sind.
Aus Sicht des NBB begründet die vorgelegte Regelung eben keine uneingeschränkte Wahlfreiheit, sondern verlangt zu Beginn eines Beamtenverhältnisses die Entscheidung darüber, ob auf die (im Zweifel gegebenenfalls lebenslange) individuelle Beihilfe, und damit einen wesentlichen Teil der beamtenrechtlichen Fürsorge und Alimentation, verzichtet werden soll.
Aus diesem Grunde regte Alexander Zimbehl vor dem Hintergrund der Tragweite, der durch die Beamtin oder den Beamten zu treffenden Entscheidung, an, seitens des Dienstherrn im Rahmen der Fürsorgepflicht ein verpflichtendes Informationssystem über die unterschiedlichen Beihilfesysteme für die Beamtinnen und Beamten zu implementieren.
Für die Gruppe der Beamtinnen und Beamten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat der NBB bereits in der Vergangenheit mehrfach auf die Problematik hingewiesen, dass insbesondere diese Beamtinnen und Beamte Probleme haben, im bisherigen Beihilfesystem berücksichtigt zu werden. Dies bezieht sich insbesondere auf diejenigen, die vor 2009 in das jeweilige Beamtenverhältnis eingestiegen sind. Aus diesem Grunde wird für diese Gruppe die Möglichkeit der pauschalen Beihilfe ausdrücklich begrüßt. Zur Klarstellung wird aber darauf hingewiesen, dass sich diese Auffassung ausschließlich auf diese besonders zu betrachtende Gruppe bezieht, für die aus Sicht des NBB schon seit längerem individuelle Lösungen hätten herbeigeführt werden sollen.
Alexander Zimbehl wies zudem darauf hin, dass der Gesetzentwurf die Frage der Rückkehr eines zwischenzeitlich dienstunfähigen Beamten gänzlich unbeantwortet lässt. Dabei geht der NBB davon aus, dass für diesen Fall der Rückkehr einer dienstunfähigen Beamtin, beziehungsweise eines dienstunfähigen Beamten ein neues Beamtenverhältnis begründet wird, woraus wiederum eine erneute Wahlmöglichkeit resultiert.
Der vorgelegte Gesetzentwurf bedeutet für Beamtinnen und Beamte, welche beabsichtigen im Rahmen ihrer dienstlichen Laufbahn das Bundesland zu wechseln, das zusätzliche Problem, dass das System der pauschalen Beihilfe bislang nur in einigen Bundesländern durchgeführt wird. Sollten Beamtinnen und Beamte jedoch bei Zusage zu einer pauschalen Beihilfe in Niedersachsen in eines der Bundesländer mit einem klassischen Beihilfesystem wechseln wollen wären sie gezwungen, aufgrund der nicht vorhandenen Beteiligung des jeweilig neuen Dienstherrn den gesamten GKV-Beitrag entweder selbst zu tragen oder alternativ mit erheblich höheren PKV-Versicherungsprämien wieder in die Kombination aus Beihilfe und PKV-Restkostenabsicherung zurückzukehren.
Deutlich kritisierte Alexander Zimbehl zudem den Umstand, dass das Land Niedersachsen mit nachhaltigen Mehrkosten, insbesondere bedingt durch zusätzliche Verwaltungskosten, für Land und Kommunen in Höhe von 16,5 Mio. € im ersten Jahr mit jährlich steigender Tendenz kalkuliert. So wies er darauf hin, dass die Antragsteller in ihrer Gesetzesbegründung sogar davon ausgehen, dass durch in den Folgejahren weiter hinzukommende Berechtigte die Mehrkosten jährlich weiter ansteigen werden. Alexander Zimbehl machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass nicht abgeschätzt werden kann, in welchem Umfang sich die zukünftigen Beihilfeberechtigten für die pauschale Beihilfe entscheiden werden, und aus diesem Grunde auch weiter ansteigende Kosten für das Land nicht ausgeschlossen werden können.
Allein schon angesichts dieser zu erwartenden Kostensteigerung entsteht für den NBB der Eindruck, dass durch den vorgelegten Gesetzesentwurf lediglich die Unterfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgefangen werden soll, keinesfalls aber eine Entscheidung zugunsten der Gesundheitsversorgung der überwiegenden Mehrzahl der betroffenen Beamtinnen und Beamten erzielt werden kann.